Montag, 8. April 2013

Stuck Inside of Moville


Es ist bereits Abend als Violinistin Kerstin Becker und ich den Dubliner Flughafen verlassen und der M1 Richtung Belfast folgen. Irgendwann biegen wir ab nach Westen, fahren übers Land, überschreiten die unsichtbare Grenze zu Nordirland und passieren Orte, die Armagh oder Omagh heißen. Während sie im restlichen Europa immer mehr aus dem Fokus gerät, ist die konfliktreiche Geschichte Irlands in dieser Gegend weiter am Leben. Die karge Straße, die gesäumt ist mit Sträuchern und Grasbüscheln, führt uns durch die Ulster Landschaft mit ihren hingeworfenen Hügeln. Wir fahren durch Orte, von deren Häusern, Gebäuden und Laternenpfählen je nach überwiegender Gesinnung die englische St. Georgs-Flagge flattert oder Plakate hängen, die für Sinn Feín und die IRA werben. Auf dem Weg nach Derry ist der Namenszusatz ‘London’ von den meisten Hinweisschildern geschabt. Wir sind am Lough Foyle angekommen, am Fuß der Halbinsel Inishowen, dem nördlichsten Zipfel der Republik Irland. Politik, Mythen und Geschichten sind hier allgegenwärtig. Hier öffnet der Lough sein Maul zum offenen Atlantik. Irgendwo in weiter Ferne liegt New York.

Gegen elf Uhr ist es in Moville immer noch hell. Der Ort liegt unter einem gelb-grauen Abendhimmel auf einem kleinen Hügel, der zum Meer abfällt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legten von hier die Dampfschiffe der britischen Reederei Anchor Line ab. Auf ihnen fuhren tausende von Auswanderern, auf der Flucht vor den Hungersnöten, einer ungewissen Zukunft entgegen. 1981 nahm Bob Dylan sein Album Shot of Love auf. Im selben Jahr entführten sieben IRA Männer einen Lotsendampfer mitsamt Steuermann aus dem Moviller Hafen, beluden ihn mit Sprengstoff und fuhren damit zur Nellie M, einem mit Kohle im Wert von einer Million Pfund beladenen Handelsschiff, das im Lough ankerte und auf die Flut wartete. Sie zwangen die Besatzung in ein Rettungsboot und verteilten den Sprengstoff auf dem gesamten Schiff. Es wird berichtet man habe die Explosion und das Feuer noch mehrere Meilen entfernt gesehen.

Nachdem wir Instrumente und Gepäck im Haus unserer Gastgeberin Catherine verstaut haben, stehen wir wieder vor dem Haus. In wenigen Minuten wird das Schwarz über dem Lough Foyle die Oberhand gewinnen. Von da wo wir sind sieht es aus, als verschwände die Foyle Street direkt im Wasser. Wir beschließen noch ins Rosatos zu gehen, das sich zwei Ecken weiter befindet. Der Pub ist gut gefüllt. Das Musik-Duo, an dem wir uns vorbeidrängen, spielt gerade It’s All Over Now, Baby Blue. Wir lassen uns zwei Pints Guinness geben und genießen mit den ersten Schlucken das behagliche Gefühl, angekommen zu sein.
Neben mir steht Gerry McLaughlin, der Organisator des Festivals, der uns nach Moville eingeladen hat. Das Gespräch kreist sogleich um Dylan. Neben ihm steht Brendan, der mit Tochter und deren Freund von Nordirland aus in seinem Segelboot quer über den Lough gesegelt ist, er sagt er sei schon zum sechsten Mal hier und es gäbe Gerüchte der Meister selbst solle dieses Jahr nach Moville kommen. Inkognito und unerkannt. Die Menschen um mich herum sprechen andächtig von Dylan als hegten sie den Traum schon lange, Dylan möge Höchstselbst auf seinem eigenen Festival im irischen Moville erscheinen. Jemand fasst mich an der Schulter und als ich mich umdrehe ergreift ein dünner älterer Mann meine Hand und sagt eindringlich ‚Do you love Bob Dylan? Is there love in your heart for him?’ Sein Blick hakt sich in meinem fest. Das ist ein Traum, denke ich unwillkürlich. Was kann man auf eine solche Frage entgegnen? Das Duo hat aufgehört zu spielen. Ein stämmiger, großer Mann um die Siebzig mit rotem Gesicht und weißen Haaren bahnt sich an mir vorbei seinen Weg zur kleinen Bühne am Kamin. Alle Augen folgen ihm und der dünne Mann lässt meine Hand frei. Als er dort steht beginnt er sogleich, die Arme ruhig an seinen Seiten hängend, Danny Boy zu singen. Alle im Pub erheben sich mit ihren Gläsern in den Händen und singen. Ein inbrünstiger Chor ungleicher weiblicher und männlicher Stimmen. Vielleicht das berühmteste irische Lied überhaupt, das Abschied und Wiederkehr besingt, in Erinnerung an die Zeit der großen Hungersnot, die Melodie entlehnt der nordirischen Nationalhymne A Londonderry Air. Jemand neben mir dreht sich zu mir um und sagt ‚You know who that is? That’s John Hume!'

In einer landesweiten Umfrage wählten die Iren im Jahr 2010 John Hume zur bedeutendsten Person in der irischen Geschichte. Der in Derry geborene nordirische Politiker bekam 1998 gemeinsam mit David Trimble von der protestantischen Partei Nordirlands den Friedensnobelpreis verliehen. Über viele Jahre hinweg hat er unermüdlich daran gearbeitet Sinn Féin und die IRA zu Waffenstillstandsverhandlungen zu bringen. Das Karfreitagsabkommen von 1998 trägt auch seine Handschrift. Das war also John Hume. In einem kleinen Pub auf Inishowen. Auf einem Dylan-Festival. Auf dem in einer Ecke des Pubs Dylan vielleicht selbst anwesend war, wie so manches Mal verkleidet mit falschen Haaren unter einer Kapuze. Nach einem zweiten Lied geht Hume zurück an seinen Tisch auf dem ein halbes Glas Rotwein steht. Man macht ihm ehrfürchtig Platz. Das Duo greift zu den Instrumenten und spielt die nächste Dylan-Nummer.

„John lebt jetzt in Moville“, sagt McLaughlin später. „Einmal erzählte er mir eine Geschichte darüber, wie Martin McGuinness, der jetzt stellvertretender Ministerpräsident Nordirlands ist, in die IRA eintrat.  Die beiden wuchsen gemeinsam in Derry auf und kannten sich seit ihrer Kindheit. McGuinness‘ Mutter rief ihn an und bat ihn herüber zu kommen und mit ihrem Sohn zu sprechen, um ihm die IRA auszureden. Aber John kam zurück zu und sagte ihr, er habe nichts ausrichten können.“ – „Doch, John!“ habe McLaughlin ihm daraufhin gesagt, „letztendlich hast Du etwas ausgerichtet, Du hast es getan. Letztendlich.“ Es erinnere ihn an den alten James Cagney Film Angels With Dirty Faces, sagt McLaughlin. Zwei Jungs, die gemeinsam in New York aufwachsen und deren Leben sich in gegensätzliche Richtungen entwickelt. Der eine wurde ein Gangster und landete schließlich auf dem elektrischen Stuhl, der andere wurde Priester. „Ich denke, das würde doch einen guten Film machen, oder nicht?“, sagt er, „zwei Jungs aus Derry, die sich für unterschiedliche Richtungen entscheiden. Der eine für den Weg der Gewalt, der andere für den Frieden und am Ende kommen sie zusammen und ziehen am selben Strick.“

Das Duo spielt jetzt My Back Pages. Hinter Hume hängt ein Bild in Öl, das ein Fischerboot auf dem Meer zeigt. Links an der Wand hängen in diffusem Licht noch weitere Bilder, gemalt mit demselben Pinsel in matten dunklen Tönen. Sie sind beeindruckend und wirken, als hingen sie dort schon ein Menschenleben. Ich erkundige mich an der Bar und erfahre, dass sie von einem gewissen Cathal Cavannagh gemalt sind und ihn als alten Mann zeigen, hier und da gemeinsam mit seinen Freunden, die er ebenfalls als alte Männer auf die Leinwand gebannt hat, alle drei still am Tisch sitzend mit einem Glas Bier vor sich und einem Blick, der nicht rückwärtsgewandt scheint, als seien sie froh, endlich dort am Tisch angekommen zu sein, in einem Alter, in dem man sich nicht mehr mit Plänen, Träumen und verflossenen Lieben herumplagt. Ein Gast aus Schottland, der jedes Jahr auf dem Festival ist und sich mit den Gegebenheiten auskennt sagt, Cavanagh schaue jeden Abend hier vorbei, bevor der Pub schließt. Irgendwann spät abends ist es soweit. Ein Mann Mitte Dreißig kommt herein, der Schotte nickt mir zu und es macht den Anschein, als habe er noch in weiteren Pubs Halt gemacht. ‚Can you play Oh Sister?, fragt er an die Musiker gewandt und sitzt wenig später in sich versunken am Tisch unter dem Gemälde, das ihn als alten Mann zeigt.

Am nächsten Morgen sitzen wir im viktorianischen Wohnzimmer unserer Gastgeberin und gehen das Programm und die Arrangements durch. Sie sagt, die letzten Jahre sei hier mehr los gewesen, aber das liege wohl an der allgemeinen wirtschaftlichen Lage.
Das ‚Stuck Inside of Moville’ auf Inishowen am Rande der alten Welt ist auf dieser Seite des Atlantiks das größte Festival auf dem Dylan-Musik gespielt wird. Das sagen sie in Moville. Größer ist nur noch das alljährliche Dylan-Fest in Hibbing, Minnesota, der Stadt, in der Dylan aufwuchs und auf der High School seine erste elektrische Band The Golden Chords gründete, nicht lange bevor er an einem verschneiten Wintertag in New York City ankam. Im damals kältesten Winter der vorangegangenen 17 Jahre. Seit nunmehr sieben Jahren spielen hier in Moville jeden Sommer und über vier Tage lang einheimische und internationale Musiker in Pubs und auf den Straßen die Songs von Bob Dylan. Aber warum um alles in der Welt Moville? Warum Bob Dylan?

‚Ich kam 2002 hier an’, sagt Gerry McLaughlin, der zuvor in London, Hamburg, Paris und Amsterdam gelebt hatte. ‚Mir fiel auf, dass es viele Dylan Fans in der Stadt gab. Seine Musik lief oft in Jukeboxen und wurde ständig live gespielt. Es stellte sich heraus, dass ein ehemaliger und nun pensionierter Lehrer das Feld bereits bereitet hatte. Man nennt ihn Paddy The Shoe, in Wirklichkeit heißt er Paddy McLaughlin. Er ist ein großer Dylan-Verehrer und hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die musikalische Entwicklung mehrerer Generationen von Schülern. Also dachte ich mir, warum nicht ein Dylan-Festival.’
Sechs Wochen später waren die Straßen und Pubs von Moville gefüllt mit Dylans Musik. Selbst die berühmte irische Dave Fanning Show warb für das Event und es kamen Leute von weither.

Für die Leute von Moville ist das Dylan-Fest auch ein ökonomischer Faktor. In dem Städtchen, dessen bunt bemalte Häuser auf eine alte Fischerei-Tradition blicken, ist die Arbeitslosigkeit mittlerweile auf einem Stand von nahezu 30 Prozent, einer Rate, wie McLaughlin sagt, die an den Höhepunkt der Großen Depression erinnert. Die für die Region wichtige Lachsfischerei wird heutzutage von Greencastle aus betrieben. Im Nachbarort gibt es einen kommerziellen Fischereihafen. Auch der Tourismus sei angesichts der wirtschaftlichen Lage stark zurückgegangen. Die Besucher, die für das lange Dylan-Wochenende nach Moville kommen sind wichtig für die örtlichen Pubs, Bed & Breakfasts und Hotels, von denen bereits einige schließen mussten. So wichtig, dass McLaughlin vor ein paar Jahren auch das Beatles-Fest ins Leben rief, das sich traditionell eine Woche an das Dylan-Event anschließt. Als prominentesten und jährlich wiederkehrenden Gast gewann er Tony Bramwell, Autor von Magical Mystery Tours: My Life With The Beatles, den ehemaligen Roadmanager der Beatles und späteren Vorsitzenden von Apple Records und Polydor Records. Bramwells drei absoluten Lieblingsorte auf der Welt, so zitiert ihn McLaughlin aus einem Zeitungsinterview, sind Nashville, Hawaii und - Moville.

Nach unserem Konzert im Sean Ti in Greencastle am anderen Tag sitzen wir am Ende des Abends bei der letzten Runde zusammen an einem großen runden Tisch, eine Hängelampe über der Mitte. Im übrigen Raum sind die Lichter schon aus. Darunter Gerry McLaughlin, der Journalist Caoimhinn Barr, der für den Inishowen Independent schreibt und mich in der Pause interviewt hat, der Video-Künstler Ciaran Keogh, ein schottischer Dylan-Fan, Kerstin Becker und zwei, drei weitere Gäste. Wir sprechen über Dylan und die Dinge, die seine Musik bewegt hat. „Die Kunst ist tot!“, sagt McLaughlin irgendwann. „Es gibt nichts Neues mehr.“ Und irgendwie hat er Recht. Vielleicht entsteht etwas Neues nur aus etwas, das stirbt. Vielleicht haben schon zu allen Zeiten alle von einander genommen, sich zu eigen gemacht und weitergegeben. Möglicherweise gab es nie etwas wirklich Neues, nur etwas, das zu bestimmten Zeiten populär wurde. Jedenfalls hängt die Kunst quicklebendig an den Wänden des Rosatos. Sie tönt durch die Straßen eines kleinen irischen Städtchens auf Inishowen, mit seinen Originalen, die an Figuren aus Dylans Feder erinnern.
Und es würde nicht wundern, käme jemand mit Kapuze tief ins Gesicht gezogen und ein paar Strähnen falschen Haares hervorschauend durch die Türe, gerade jetzt in diesem Augenblick, während die Barkeeper daran sind aufzustuhlen und den Raum auszufegen - für einen neuen Tag mit Dylans Musik. Dieser Jemand würde mit Sicherheit einen Blind Willie McTell Blues schmettern und anschließend Cavanagh das Bild abkaufen, das ihn als alten Mann zeigt.



© M. Moravek 

Moville on Wikipedia 
DylanFest on the Lough 

Das nächste Stuck Inside of Moville findet statt vom 21. August bis 24. August 2014

Stuck Inside of Moville [english]



It’s already evening as violinist Kerstin Becker and I leave Dublin airport and head on the M1 in the direction of Belfast.  Somewhere along the line we headed West and drive overland, passing the invisible border to Northern Ireland and driving through towns named Armagh and Omagh. While in Europe the conflictual history of Ireland loses focus, here it is alive as ever. The barren road that is lined with bushes and tufts of grass leads us through the Ulster landscape with its jotted mounds. We are passing places where depending on prevailing sympathies either  the English St. Georg flag is fluttering from houses, buildings and lampposts or posters are promoting Sinn Féin and the IRA. On the way to Derry we can see that the part ‘London’ is scraped off from most of the direction signs of Londonderry which is how the British oriented people like to call it. Finally we reach the Lough Foyle at the foot of the peninsula Inishowen, the most northern extremity of the Republic of Ireland. Politics, myths and history are ubiquitous in this part of the country. It is here where the Lough opens its jaws to the wide Atlantic. Somewhere in the distance is New York. 

As we arrive around 11 pm there is still some daylight in Moville. A yellow-grey evening sky hangs above the town which is located on a small hill dropping away to the sea. In the second half of the 19th century steamships of the British shipping company Anchor Line were leaving from here, carrying thousands of emigrants into an uncertain future.
In 1981 Bob Dylan recorded his album Shot of Love. In the same year seven IRA men hijacked a pilot boat with its pilot at Moville harbour, weighed it with tons of explosives and pulled out to the Nellie M, a trading vessel worth a million with a cargo of coal of the same value on it that waited for the flood to exit the Lough. They forced the crew into the lifeboats and planted the times explosives in the engine room. It is reported that the explosion and the fires could be seen from many miles around. 

After we stowe our instruments and stuff at the house of our landlady Catherine, we walk  back onto the street, only some minutes away from the darkness gaining hold over the Lough. From where we are it looks like the Foyle Street is disappearing into the sea. We decide to go to the Rosatos, which is only two corners away. The pub’s crowded and the music duo we squeeze past is playing It’s All Over Now, Baby Blue. We order two pints of Guinness and sip by sip we deeply enjoy the pleasant feeling of arrival.
Nearby stands Gerry McLaughlin, the organizer of the festival who invited us to Moville. Beside him stands Brendan who came from Northern Ireland across the Lough on his sailing ship and who’s here for the sixth time now. He says there are rumors that Dylan himself and in person would emerge at his own festival this year. Somebody touches my shoulder and as I turn around a thin elderly man grabs my hand urgently, asking “Do you love Bob Dylan? Is there love in your heart for him?” Looking straight into my eyes his look hitches with mine. ‘I must be in a dream’, I think in spite of myself. What is the reply to such a question? The duo takes a break. A great sturdy red-faced man with white hair in his 70s walks by me and cuts his way through the crowd to the small stage at the fireplace. Suddenly all eyes are on him. The thin man releases my hand. As he stands there, with his arms calmly by his side, the white-haired man instantly begins to sing Danny Boy, maybe the best known Irish song in general. Everybody in the room stands up with their glasses in their hands and sings, a fervent choir of different female and male voices. The song is about farewell and recurrence, a reminder of the times of the great famines, borrowing the melody from the Northern Irish anthem A Londonderry Air. Somebody close behind me says “You know who that is? That’s John Hume!” 

In a nationwide survey in 2010 the Irish people voted John Hume as Ireland’s greatest person. The politician from Northern Ireland who was born in Derry won the Nobel Peace Prize in 1998 alongside the leader of the Ulster Unionist Party, David Trimble. For many years he was working relentlessly on inducing Sinn Féin and the IRA to armistice negotiations. The Good Friday Agreement from 1998 bears his signature. So, that was John Hume. Sitting in this small pub on Inishowen during a Dylan festival, where maybe Dylan himself was present, standing in a corner like many a time disguised, with a wig under his hood. After he finishes a second song people are reverently cleaning the place for him and Hume makes his way back to his table where a glass of red wine await him. The two musicians grab their instruments ready to start the next Dylan song.

John is living in Moville now”, says McLaughlin afterwards. “He told me a great story about how, when Martin McGuinness, now Deputy First Minister of Northern Ireland, first joined the IRA, Martin's mother asked John to come over and talk him out of it. They both grew up in Derry. He said he went over but he couldn't talk him out of it. ‘You did eventually, John. You did eventually’” McLaughlin says he has replied. “It reminds me of the old James Cagney movie Angels With Dirty Faces”,  he says, “where two young lads from New York who grew up together went in different directions, one to be a hoodlum who went to The Chair and one to be a priest but who still remained in touch. I think that would make a great movie with the two guys brought up in Derry going in different directions, one to violence and one to peace, ending up on the same side in the end”. 

The Duo is playing My Back Pages now. There’s an oil painting hanging right behind Hume showing a fishing boat out on the sea. On the left wall there are several more paintings hanging in the scattered light, painted by the same brush in the same dark faint colors. They are impressive and seem like they’ve been hanging a lifetime on those walls. At the bar I inquire about the painter and learn that it is a certain Cathal Cavanagh. On most of the paintings he painted himself as an old man, sometimes together with his friends, portrayed as old men likewise, sitting at a table each one with a glass of beer in front of them and a glance that doesn’t seem backward-looking, somehow happy about the fact they arrived at their old age where one doesn’t have to deal with plans, dreams and bygone loves anymore. A guest from Scotland who attends the festival each year and who’s familiar with the local contexts says that Cavanagh shows up at the pub each night right before closing time. Later on that evening the time has come. A man in his thirties drops in. The Scotsman gives me a nod and it looks like Cavanagh had made a stop at several pubs before. He leans to the musicians and says “Can you play Oh Sister?”. Soon after he sits at a table, right under the painting that shows him as an old man, wrapped in thoughts. 

On the next morning we sit in the Victorian living room of our hostess, looking through the set list and the arrangements. She says that in the last years there was more going on at the festival, that it is due to the economic situation maybe, that less people have come.
The word is that the Stuck Inside of Moville on Inishowen at the edge of the old world is the biggest festival where Dylan’s music is played. Only the annual Dylan-Fest in Hibbing, Minnesota is bigger. It is held in the town where Dylan grew up and formed his first electric band The Golden Chords at high school, only a few years before he arrived in New York City on a bitterly cold snowy winter’s day. Since seven years now Dylan’s music is being played by locals and international musicians for four days in a row in Moville’s streets, pubs and hotels. But, for the entire world, why Moville? Why Bob Dylan? 

“I came to Moville in 2002”, says Gerry McLaughlin, who lived in London, Hamburg, Paris and Amsterdam before. “I noticed that there were a lot of Dylan fans in the town and Dylan got played a lot on jukeboxes and by a lot of the acts that played around Moville.” It came out that the ground was prepared by a now retired teacher called ‘Paddy the Shoe’ who himself performs at the festival now.  His real name is Paddy McLaughlin and as a great admirer of Bob Dylan, having seen the singer more than 40 times, he was very influential on bringing up generations of Dylan fans in Moville.  “So, I thought, why not having a festival of Bob Dylan music.” Six weeks later it was on and there was Dylan music on all weekend and a big crowd arrived after it got publicity on quite a few radio stations including the famous Dave Fanning Show. Fanning is Ireland's top DJ and a big Dylan fan himself. People came from far away, says McLaughlin, even from Canada and San Francisco. 

For the people of Moville the Dylan festival is an important economic factor. In the little town whose colorfully painted houses hark back to an old fishing tradition the level of unemployment is nearly 30 %, a level of which McLaughlin says is similar to the peak of unemployment rates during the Great Depression in the United States. Today the salmon fishing industry is run from Greencastle. In the nearby town there is a commercial fishing harbour. As a tourist town Moville has been hit badly by the downturn. The visitors who come here for the long Dylan-weekend are of great importance for the local pubs, bed and breakfasts and hotels. Of such significance that McLaughlin established the Beatles-Fest some years ago; this by tradition follows the Dylan event a week later. As the most prominent guest he was able to win over Tony Bramwell, author of the book ‘Magical Mystery Tours: My Life With The Beatles’, who attends the festival annually. Bramwell, who was the Beatles road manager and joint head of Apple Records, later head of Polydor, once told a journalist that his favourite three places in the world were Nashville, Hawaii and – Moville.  

The next day we have a concert at the Sean Ti in Greencastle in front of an enthusiastic crowd. Late that night we sit for last orders at a big table with a drop-light above it. The other light in the room is dimmed. With us is Gerry McLaughlin, the journalist Caoimhin Barr, who writes for the Inishowen Independent and who interviewed me during a break of the set, the video-artist Ciaran Keogh, a Scottish Dylan fan and two other last guests. We’re discussing Bob Dylan and the influence his music has on so many things. “Art is dead”, says McLaughlin at some point. “Nothing new comes up anymore”. And somehow he may be right. Maybe something new only arises out of something that dies. Maybe that at all times everybody took from one another, adopted it as their own and passed it on. Maybe there has never been something new, just something that got popular at certain times. Anyway, art is flourishing and hanging from the walls of Rosatos. It is ringing through the streets of a little town on Inishowen, with its originals, reminiscent of the figures that had flowed out of Dylan’s pen.
And one wouldn’t be surprised at all if all of a sudden somebody would peek through the door of Rosatos, with his hood deep in his face, a flick of fake hair looking out from under it, right now, while the barkeepers are about to put the chairs on the tables and clean up the room for a new day of Dylan-music. This certain person would surely belt out one of Blind Willie McTell’s blues songs and buy a painting from Cavanagh right after - the one that shows him as an old man.


© M. Moravek 

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DylanFest on the Lough 

The next Stuck Inside of Moville will take place from Aug 21nd to Aug 24th in 2014

Samstag, 13. November 2010

An Appointment With Mr Yeats



' THIS IS SACRED GROUND WITH A POWER FLOWIN' THROUGH. ' / The Waterboys at the Abbey Theatre, Dublin, March 20, 2010. (photography by © M. Moravek)

When I started listening to Bob Dylan at the age of thirteen I was fascinated by his voice and genius skills of juggling with words and meanings. Shortly after discovering Dylan's galaxy I listened for the first time to The Waterboys. I found their first three records. Back then Fisherman's Blues was about to be released. I was struck immediately. Whatever these songs were meant to be about, to me they were about hunger. As a kid exploring this music I kept it like a jewel. In March 2010 I found myself sitting in an Italian café near Grafton Street in Dublin. Mike Scott, the voice, the head and most of all the heart of the great Waterboys, was entering the room, accompanied by his wife Janette. It was three years before that I've met them in Hague. Half a year later my own band was opening for The Waterboys on their Book of Lightning tour. For the next two hours we sat at the window, talked, drank coffee, relished a hot Minestrone. Outside it was a fresh Irish Monday afternoon in spring. The Waterboys had just finished a week of five sold-out appearances at the Abbey Theatre premiering An Appointment With Mr Yeats.

Mike Scott interviewed by Michael Moravek. Dublin, March 22, 2010

***

M.M.: Is your song The Whole of The Moon related to Yeats?

M.S.: Specifically no. Yeats wasn’t in my mind when I wrote it. And it’s not about one single person. It’s about a kind of person. But I liked to put it in the show and dedicate it to Yeats as a way of honoring him. We did that every night and we show a little film of him to go with the song.

When you put the band together, how important was a personal connection of each musician to Yeats’ work?

Well actually, not important. There’s sufficient knowledge in Yeats’ work in my own presence in the band and also Steve Wickham who is a long-term reader of Yeats. So between the two of us, we brought enough Yeats-awareness into the show. Our guitar player Joe is a Yeats-reader as well. Perhaps Ruby, the oboe-player, I think she knew Yeats’ work. But most of the others would’ve known only a few poems and that didn’t matter. Though I gave them all copies of Yeats’ selected poems in rehearsals. It really was more important that they could just play the music right. The qualification was that they would perform the music in the spirit in which it was written and bring some of their own spirit to it. That was much more important than whether they had a big knowledge of Yeats. If I’d gone for people who had a big knowledge of Yeats I would probably got the music all wrong. And I would have people who maybe knew all Yeats’ poems but couldn’t play right.

So how long did it take you to put the band together for this project?

I’ve thought about it for a long time. I’ve been consciously preparing the project for the last 15 or 18 months. The first musician I identified was backing vocalist Katie Kim. I heard her play a concert in Dublin in December 2008 and I immediately recognized that I’d found the second voice I wanted for the show. And so I got in touch with her through MySpace. She did some recordings for me on my Yeats demos. And then shortly before the shows began I started rehearsing with her at my house - she lives in Waterford near the South coast - and she would come up a couple of days and rehearse with me and work on the parts. So she was the first one, apart from Steve of course. And then the next, I think, was Joe the guitar player. I knew that I didn’t want to play guitar in most of the show. I like just singing. I sing better when I don’t play. And I can get bored with my guitar playing. So I wanted someone to come in and do that job for me. Joe lives in Dublin and I was very impressed with his records. I respect him a lot. So he was the next. And then one by one I put them all together.

I never saw you sing that long in a set without playing guitar. I think it was one third of the set maybe?

It’s more than that. It’s about half; I think ten or eleven out of the 22.

It was interesting, because the way you acted onstage without an instrument was kind of reciting and singing in one thing.

Well, I love singing without playing an instrument. I just love delivering. I like using my hands as well, when my hands are free. I can really inhabit the song and lyric more than if I’m playing guitar.

You did 5 concerts at the Abbey Theatre which was established by Yeats himself and which has got a very intimate character. Are you planning to do further Yeats-concerts in different places and do you think it will work in a similar way as it did at the Abbey?

Well, it will never be like it was in the Abbey anywhere else, because the Abbey is a special place with its Yeats history and its Irish Theatre history. So that’s a unique event. It’ll never be replicated – unless we do more concerts in the Abbey at some stage. But we have every intention of taking the show out on the road and through other countries and to play in larger theatres. I’m confident that it will translate powerfully into different classic theatres especially in capital cities.

Will it be with the same band?

I hope so, yes. And they all want to do it. They all have other careers, so it’ll be bit of a balancing act, a juggling act, to bring them all together. But our next events will probably be in autumn, six or eight months away. So I think we’ve got enough time to ensure that we get everybody or as many as possible.

How did you experience the interconnection with the audience especially at the Abbey Theatre?

The mystery for me was the first night. During the show we got good respectful applause. But I couldn’t read the audience. I couldn’t quite understand what their response was. And when we finished the last song they all stood up and I knew that we’d won, that the show was a success.

And it happened every night?

It happened every night, but the surprise was the first night - delicious victory.

Have you been nervous about the first reaction?

No, not really. I knew the show was good. And if I believe it’s good, then - whether it is a success or not - I can stand proud in it and I won’t get nervous. I would get nervous if I didn’t believe in it, if I wasn’t confident. But I’m confident, so I don’t get nervous. But I didn’t know what the response would be and I didn’t realize that it would persuade the audience so quickly.

Will there be an album to the concerts?

Yes! But I don’t know what form it will take. The whole future of the show and music is evolving as we go. The only thing I knew for sure was 5 shows at the Abbey Theatre. My team and I have to answer the question of what’s next. Do we tour the show with one-night-concerts like a regular Waterboys-tour? Do we play multiple shows just in capital cities? Do we do that in support of an album or do we do it before there’s an album? Do we record the album live? And we recorded a couple of shows at the Abbey. Or do we do the album in the studio? Do we do a DVD of a concert to go with the album as a big multimedia package? All these questions are in the air at the moment and they haven’t been answered yet. Part of the process of answering them is a financial one. It cost us a lot to stage the show, as the Abbey is a small theatre. We didn’t get paid as much as we would have if we’d played a two thousand seat theatre. So we had to subsidize these concerts. So there isn’t a lot of money left over to record an album and we need financial backing. And The Waterboys aren’t with a record company. The last album was with Universal, but that was just the one-off. So it may be that a record company will come in and want to do this and maybe not. So we have to figure out a way of recording the album even if we don’t have record company finance. But there will be an album. I just don’t know whether it’s a live or studio. And I’d like to do a bonus CD of all my demos, ‘cause I have all the songs recorded at home, and while it wouldn’t be appropriate to release them as “the” album, still I like them a lot, they have a character, they’re like blueprints.

I think that’s great. I’ve heard only your demo of The Four Ages of Man, but it’s wonderful!

Thank you.

How important in your opinion is Yeats for today’s Irish literature?

I don’t really know. I don’t know what’s important for Irish literature. I don’t think about Irish literature very much, to be quite honest. But I’ve got opinions on what’s important for Yeats and I personally feel that it’s important that Yeats gets liberated from the museum. Now the exhibition at the National Library is terrific; it’s important that that exhibition exists and that Yeats is honoured by the nation, because he’s the greatest Irish poet. But I also think it’s important that Yeats’ words are presented in a new way and that people are able to consider them without the crust of years on them. And I feel also that – because Yeats is taught at school in Ireland … See, I’m Scottish. I didn’t get Yeats in school, neither did you. So we approach Yeats freshly. But for the Irish, they all get Yeats stuff rammed down their neck as school kids. And so a lot of them don’t like Yeats or associate him with boring classes at school and maybe were given his most boring poems, or some of his good poems but they were made boring by the way they were taught. And I think it’s important to free Yeats from that. I think our show can do that and be an influence in that direction. But I don’t do it for that reason. I do it because I like it; anything else is a bonus.

Words For Music Perhaps is the title of one of Yeats’ works. Is music a catalyst that feeds spiritual experience?

I think music is like oil. It gets under peoples’ skins very easily in a way that words don’t. It gets to people’s emotions immediately and so music can carry words direct to people’s emotions in a way words on their own perhaps can’t do. You see, a lot of people don’t have patience for poetry, but music can bring the poetry to them swiftly with less effort than they would have to exercise it when they were reading a poem. As for music and spirituality, well – I don’t know. I’m weary of terms like that, because music has lots of applications. It can be used like background in the restaurant where we’re sitting to create an atmosphere, and it can be used as wallpaper, and it can be used to influence people badly, it can be used as torture, as we know. And it can also be used to inspire people in a very high way. They’re all different applications of music and they are all possible.

But for you personally, what does music mean in the way of transporting spiritual experiences?

It’s kind a thing I like to do and not talk about. I like to use music to have an effect on people, but I don’t really want to let them know that I’m aware that I’m working at that. You know what I mean? I’m always weary of artists that say ‘I’m trying to do this, I’m trying to do that’. Don’t telegraph your punches. And also it is very easy for artists to become portentous talking about spiritual applications of music. And most artists who do so don’t know what they are talking about. I think the ones who do understand spiritual applications in music don’t tend to talk about it. To say nothing and say it well. Just do it. – But it’s interesting you picked that title ‘words for music perhaps’. ‘Cause I think that Yeats often wrote his poetry with the intention of it being set to music. So many of them have musical titles - The Ballad of Moll Magee, The Ballad of The Foxhunter, The Song of Wandering Aengus, The Song of The Happy Shepherd, Words For Music Perhaps, Three Songs To The One Tune … again and again he uses these musical titles. He must have accepted that music would be set to these poems.

Down there at the exhibition is that room with recordings of people reading his poems …

… very badly!

I was surprised hearing Yeats read his own poem The Lake Isle of Innisfree, …

Sonntag, 31. Oktober 2010

Is There A Ghost

Auf der Halbinsel bei Belfort. Die Bühne steht am seichten Sandufer, eingekeilt zwischen Bäumen und dem stillen Wasser des Sees. Die Helligkeit der dunstigen Luft birgt eine Ahnung, dass die Sonne dort oben stehen muss. Auf der Bühne sechs bärtige Männer unbestimmten Alters bei der Arbeit. Sie nennen sich Band of Horses. Es ist Sommer und auf dem mit Wiesen und Bäumen, kleinen Tälern und leichten Anhöhen durchzogenen Gelände des Eurockéennes de Belfort werden später um die fünfundsiebzigtausend Menschen gezählt. Vor der Scene La Plage sind es dagegen nur wenige hundert. Die meisten sind in diesem Moment zum Chapiteau im Herzen des Geländes gepilgert, um Pete Doherty zu sehen. Vielleicht um einmal mitzubekommen, welche künstliche Spannung sich herstellen lässt, wenn ein rein medial mythologisierter Charakter eben das tut, was von ihm erwartet wird. Er wäre gerne ein Rimbaud. Und sie verpassen ein einmaliges Schauspiel auf der Seeseite. Vom Himmel fällt der Regen wie Pulver herab. Im dämmrigen Licht und mit Hilfe der weißen Spots und dem großen schwarzen Vorhang hinter den Musikern sieht es aus als regnete es allein auf der Bühne. Die Band spielt Is There A Ghost und die Zuhörer schauen abwechselnd zur Bühne und einander an, als wollten sie etwas sagen, wofür sie aber auf die Schnelle nicht die richtigen Worte finden können. Wie unwirklich dieser Moment ist. Die Musik schwebt. Wie ein manisch gewordener Wal taucht sie auf und ab. Mit der Kraft und behäbigen Geschmeidigkeit wie sie nur große Tiere haben. Beim Abtauchen peitschen die Gitarren mit der Wucht einer mächtigen Schwanzflosse gegen das imaginär dräuende Wasser einer Sturzflut. Es sind zerbrechliche Songs, die Ben Bridwell singt, lose zusammengehalten von seiner Stimme und dem fragilen Überbau der Instrumentierung. Aber sie brechen nicht auseinander. Es ist, als halte sie in diesem Augenblick der Nieselregen zusammen. Als ergebe das Licht, die klamme Feuchtigkeit, die Musik und man selbst, mit dem Sand unter seinen Füssen, eine zwingende Einheit. Wie ein Kitt, der alles zusammenhält. Es ist, als gehöre all das zum alltäglichen Bühnenbild dieser Band. - Das nächste Mal in einem Club oder einer Halle würde es mit Sicherheit dasselbe sein.

© M. Moravek

Dienstag, 19. Januar 2010

December Is The Coolest Month

When I was 17 or 18 I loved to sneak into our living-room at home while everybody else was sleeping to listen to The Waterboys or A Pagan Place. Just like the seafaring men had discovered new continents, I had just come across these two records. As the needle touched the vinyl with a softly cracking noise I put on the ear-phones and lay down on the brown coloured eighties couch. At that time we lived on the second floor of a stonemason’s house and the tombstones were spread all around the house. Every now and then the room was illuminated by the headlights of passing cars. A lonely lantern’s dim light spread itself into the corner with the TV-set, and only the seasons seemed to change its density. Lying on my couch I flew through winter, spring, summer and fall; with the wind and rain pushing against the window or ice crystals covering the glass.

But wintertime was the most precious time. The world was a space where everything was slightly dampened and the snow-covered streets and fields were overlayed with a pale, blue-white colour. Those nights I kept my eyes open while the music glided though my world like a ship through a cold, rough sea. Snowflakes were spinning upwards against the lantern’s light – almost dancing, slightly revolving – only to finally disappear onto the ground.

Snow, silence, winter. These are some of the coordinates on a large map, which Mike Scott, singer, songwriter and multi-instrumentalist of the Waterboys, uses as a guide on his travels through strange countries and oceans. Sometimes these ships, like the red-sailed the Marlene, can bring its crew even up to the gates of Paris.

‚December is the cruellest month, but this time - for once - my cheeks are warm...’

The first time I saw The Waterboys was one evening while sitting together with two friends for an editorial meeting. At that time we were publishing our own magazine in a small run. Along the way the TV had a Rockpalast feature on. Or at least I think that is what it was. Talk Talk had just played, left the stage and on came – dressed in black leather gear – the Waterboys. They started to play. I could not recall having heard the name before but I liked the symbolism in it and learned later, that it was taken from a Lou Reed song. The first song they played was All The Things She Gave Me. It started like a storm and I was electrified. We put down the pencils and fully concentrated on the show. The presence of the music and the singer was compelling. They continued, played A Girl Called Johnny and finally The Red Army Blues and Savage Earth Heart. Only once before I had such an experience: when I heard Bob Dylan for the first time a couple of years before. Something caught me. Something that I did not know of, that seemed to be part of me so much. That helped my thoughts to find their path. The very next day I went to the record store and got myself A Pagan Place. And the following day I bought their debut The Waterboys.

The debut album starts with December, being the morning star in Mike Scott´s universe. The perfect music for lonely nights and snow covered streets in front of your door. Music, which can help to lead you to a safe shore across a turbulent sea. It is almost a physical process to witness the colours, sounds and stories intertwine while listening; creating a shivery and oscillating atmosphere.

These days I do not spend my nights in my parents` living room to listen to music. These days I retreat to the backroom of an ancient house, whose windows are facing the market square of a medieval town. Friends of mine have rented that secluded room together with me. A place to retire and listen to music, read literature, recite poems or make photographs. Everything is left just like it was fifty years ago. And between plain and inornate wallpaper sticking on old newspaper, an old green sofa, a more than a hundred year old tiled stove, the old Philips reel to reel tape recorder, given to me by an old friend, and a record player I have started again to listen to music by nights. And even if my musical spectrum has increased enormously, I still enjoy listening to the Waterboys. Without my ear-phones on. Music just played for itself and true really seems to be rare these days.

It is quiet outside and – almost like the planks on a ship at sea – the old floorboards of the room vibrate slightly from the bass sounds. Everything seems to come back to me. Like then I can almost hear the colours when Gala breaks out of the loudspeakers. A composition of flickering lights, the trying to bond a cracked soul, carried by a voice of anonymous times. And transcendentally this music seems to take possession of a room. Even before Mike Scott´s voice sets in. The piano, starting first tentatively with single small jingles, breaks away and then, together with the drums and the bass, they lament themselves into an ecstatic uproar. Finally collapsing and giving way to the piano driving further to a minimalist drum beat. Like the steady noise of a rudder dunking into a virgin sea. Taking it into a never-ending universe escorted with airy, floating chords, covered with a peculiar colouring, driving it easily into the next level of a strange world. Mike Scott sings the way a narrator would tell his stories.

When I close my eyes I can see that girl in the window cross staring out on the sea. And all of a sudden I find myself sitting in a ship’s stern behind some fishermen. Half the night they have been outside on the rocking waves. And while they round the ship, they cast the net once more. I crouch down further backward, still trying to hear their chant, and when they pull our frightend souls aboard, I can see Gala’s soul amongst them. The frightened off child that we once knew and were ourselves. At the end of the song the bass drum reverberates for quite a while, sounding like a fading heartbeat that slowly sinks into the depth of a dark sea.

Why did this music touch me so much and never really let me go? It might be true in its roughness, its mysterious nature, in its promise. It might have opened up a door and given me the invitation to pass through its hallway, discover other rooms and open up more secret gates. But most of all, as its vastness will never fade to inspire my imagination. Songs like I will Not Follow, It Should Have Been You or Savage Earth Heart exist in their own universe.

Mike Scott has recorded most of the songs on this album by himself. An offbeat guitar and a piano accompanied by the sound of the legendary drum-computer TR-606 create this particular sound. Later he kept on recording further brilliant songs with numerous other musicians, amongst others with the grand violinist Steve Wickham.

Will a musician know which impact his music can have on the listener? Most probably not. Once the act is completed, it liberates itself from the artist and leads a fully independent life. Kandinsky stated that the art was eternally free. But can the artist be fully decoded? Is that not irrelevant? Are not legions of Dylan-scientists just hunting their own primal sensation? And does not every new interpretation simply lead them away from their own, real and non-transferable inner picture? Then again the artist will never appreciate why his work is loved.

Mike Scott turned fifty these days and his voice has kept the unbowed intenseness of a lucid flame. Scott rightly belongs among those singers, whose forceful impact can grasp hope and tragedy of an entire life. The scholar of Blake and Yeats has become a poet himself. As if using a scalpel, he sets his words unerringly through the blood vessels right in the nerve centre.

This morning the postlady has delivered a parcel and I would swear she winked at me. The parcel contained the latest issue of the Believer, a magazine from San Francisco. As it grew dark outside, I removed the enclosed CD and took the shortcut through the two narrow alleys to the old house on the market square. I took the straight stair, the floorboards creaked under my steps and in the dark I fumbled for the key above the door. Mike Scott has recorded the more then ten minutes long A Wild Holy Band especially for this issue. I turn it on and the music starts. Like a ship leaving the harbour, bidding farewell to those left ashore. A ship carried out on the high seas by the arising winds, on an eternal quest for truth.
And as Scott´s voice comes in, I wish the winter had found its way into the streets outside and covered them with a white powder right in the middle of August.

I walked out stunned and liberated and soon began my travels.

The captain of a ship called the Waterboys.


© M. Moravek/J. Moravek

Sonntag, 1. November 2009

December Is The Coolest Month

Als ich 17 oder 18 war liebte ich es, mich nachts - wenn alle schliefen - in das Wohnzimmer meiner Eltern zu schleichen und The Waterboys oder A Pagan Place aufzulegen, die ich kurz zuvor entdeckt hatte, gleich einem Seefahrer, der einen neuen Kontinent entdeckt. Während der Tonarm mit federndem Knistergeräusch das schwarze Vinyl berührte, setzte ich die Kopfhörer auf und legte mich auf die braune 80er Jahre Couch. Wir lebten damals im 2. Stock des Hauses eines Steinmetzes und um das ganze Haus herum standen Grabsteine. Hin und wieder wurde das Zimmer durch die Scheinwerferkegel vorbeifahrender Autos erhellt. Das fahle Licht einer einsamen Laterne schien immer in die eine Ecke des Zimmers in welcher der Fernseher stand und nur die Jahreszeiten änderten die Dichte des Lichtes. So flog ich auf dem Sofa liegend durch Winter, Frühling, Sommer und Herbst, mit Regen und Wind, die gegen die Scheibe drückten und mit Eiskristallen auf dem Glas. Doch im Winter war es etwas Besonderes. Die Welt war ein Raum. Alles war leicht gedämpft und der Schnee tauchte die Straßen und Räume in ein mattes weißblaues Licht. Wenn es nachts schneite, hielt ich die Augen offen während die Musik meine Welt wie ein Schiff in kalter See durchsegelte. Dann konnte ich im Licht, das die Laterne warf, die Schneeflocken sehen, wie sie manchmal mit einem leichten Aufbäumen wieder aufwärts wirbelten und tanzten und endgültig ungesehen zu Boden fielen.

Schnee, Stille, Winter. Koordinaten einer großen Landkarte, mit deren Hilfe Mike Scott, Sänger, Komponist und Multiinstrumentalist der Waterboys, Länder und Ozeane durchreist. Manchmal auf Schiffen mit roten Segeln, die The Marlene heißen und ihre Besatzung bis vor die Tore von Paris bringen.

‚December is the cruellest month, but this time for once my cheeks are warm...’

Das erste Mal sah ich die Waterboys, als ich mich eines Abends mit zwei Freunden zu einer Redaktionssitzung traf. Wir brachten damals eine eigene kleine Zeitschrift in Miniauflage heraus. Währenddessen lief im Fernseher eine Rockpalast-Sendung. Zumindest glaube ich mich zu erinnern, dass es eine war. Gerade noch spielte die Gruppe Talk Talk. Danach betraten in schwarze Lederklamotten gekleidet The Waterboys die Bühne und begannen zu spielen. Der Name sagte mir nichts, aber die Symbolik darin gefiel mir. Das erste Lied war All The Things She Gave Me. Es begann wie ein Sturm. Ich war elektrisiert. Wir legten die Stifte weg und konzentrierten uns ganz auf die Sendung. Die Präsenz der Musik und des Sängers war überwältigend. Sie spielten A Girl Called Johnny und schließlich Red Army Blues und Savage Earth Heart. Es war ein ähnliches Gefühl, wie das, als ich einige Jahre zuvor das erste Mal Bob Dylan hörte. Etwas erreichte mich. Etwas, das ich sonst nicht in meiner Umgebung kannte und das gleichzeitig so sehr zu mir zu gehören schien, meinen Gedanken half, ihre Bahn zu finden. Das hatte zur Folge, dass ich gleich am nächsten Tag in einen Plattenladen ging um mir A Pagan Place zu kaufen. Am übernächsten kaufte ich The Waterboys.

Das Debut-Album, das mit December beginnt, ist der Morgenstern im Scott’schen Universum. Die perfekte Musik für Nächte in Einsamkeit und mit verschneiten Straßen vor der Tür. Musik, mit deren Hilfe man an das Ufer einer unruhigen See gelangen kann. Es ist fast schon ein physikalischer Vorgang wie Farben, Töne und Geschichten beim Hören ineinander greifen und ein fiebrig-flirrendes Schwingen erzeugen.

Heute lege ich mich nicht mehr in das Wohnzimmer meiner Eltern um Musik zu hören. Heute gehe ich in das Hinterzimmer eines uralten Hauses, das mitten in der mittelalterlichen Altstadt mit Fenstern über dem Marktplatz liegt. Freunde haben das einsame Zimmer gemeinsam mit mir gemietet. Ein Ort um sich zurückzuziehen, Musik zu hören, Bücher zu lesen, Dichter zu rezitieren oder Fotos zu machen. Alles ist so belassen, wie es noch vor 50 Jahren war. Und ich habe zwischen schlichten schmucklosen Tapeten, die noch auf Zeitungen geklebt sind, einem alten grünen Sofa, einem über hundert Jahre alten Kachelofen, dem alten Philips-Tonbandgerät, das mir ein Freund geschenkt hat und einem Plattenspieler wieder angefangen nachts Musik zu hören. Und obwohl sich mein Musikspektrum enorm vergrößert hat, höre ich immer noch die Waterboys - diesmal ohne Kopfhörer. Musik, die um ihretwillen gespielt wird, die wahrhaftig ist, ist rar in diesen Tagen.

Draußen ist es still und die alten Dielen vibrieren leicht unter den Bässen, gleich den Planken eines Schiffes auf See. Alle Assoziationen sind da. Und wie damals höre ich in Farben, wenn Gala aus den Lautsprechern brandet – eine Komposition aus flackernden Lichtern, das versuchte Kitten einer zersprungenen Seele, vorgetragen von einer Stimme aus einer namenlosen Zeit. Diese Musik ist imstande in metaphysischer Weise von einem Raum Besitz zu ergreifen. Und das geschieht noch bevor Scotts Stimme ansetzt. Das Klavier – erst zaghaft und mit einzelnen kleinen Klimpertönen intoniert – bricht aus und klagt sich mit Schlagzeug und Basstönen, die von irgendwo her kommen, rhythmisch in ekstatische Erregung. Bis schließlich alles erlösend in sich zusammenbricht und das Klavier alleine mit dem minimalistischen Schlagzeug nach vorne treibt - wie das gleichmäßige Aufschlagen der Ruder auf stiller See. Hinein in einen unendlichen Raum. Leichte Akkorde schweben und tragen das eigenartige Kolorit in die nächste Ebene einer nächsten Sphäre und Mike Scott singt wie ein Erzähler spricht. Ich schließe die Augen und sehe das Mädchen im Fensterkreuz stehen und auf die See hinaus starren. Mit einem Mal finde ich mich wieder im Heck eines der Boote, hinter Seeleuten sitzend. Die halbe Nacht waren sie draußen auf den schaukelnden Wellen und werfen jetzt die Leinen aus, während sie beidrehen. Ich kauere unentdeckt im Boot ganz hinten und lausche ihren Gesängen, als sie unsere verlorenen Seelen aus dem kalten Wasser an Bord und in Sicherheit ziehen. So auch Galas verängstigte Seele, das verschreckte Kind, das wir kannten und das wir einmal waren. Manchmal denke ich dabei an Die wahnsinnige Kate, ein Gemälde des Malers Henry Fuseli, das eine kindgleiche Frau zeigt, mit traurig verstörten Augen und auf einem Fels sitzend, während der Wind durch ihr Haar fährt. Am Ende des Songs hallt noch lange die Basstrommel nach, deren Rhythmus wie Herzklopfen klingt, das nach und nach in der dunklen Tiefe der See versinkt.

Weshalb hat mich damals diese Musik so berührt und bis heute nicht mehr losgelassen? Sie ist echt in ihrer Ungeschliffenheit, in ihrem geheimnisvollen Wesen, in ihrer Verheißung, dass sich hier eine Tür aufgetan hat, eine Einladung, den Korridor entlang zu gehen und weitere Räume zu entdecken und weitere Türen zu öffnen. Und weil sie Phantasien freisetzt durch ihre ungeheuren Räume. Songs wie I Will Not Follow, It Should Have Been You oder Savage Earth Heart bilden ihre eigenen Sternensysteme. Die meisten Stücke auf diesem Album hat Mike Scott alleine aufgenommen. Unkonventionelles Gitarrenspiel, Klavier und der Sound des legendären Drum-Computers TR-606 machen den Klang dieser Musik so eigen. Später hat er mit zahlreichen Musikern weitere großartige Songs aufgenommen, unter anderem mit dem einzigartigen Geiger Steve Wickham.

Kann ein Musiker wissen, wie seine Musik auf den Hörer wirkt? Nein, das ist unmöglich. Ist das Werk erst einmal vollendet, hat es sich von seinem Schöpfer befreit und führt ein gänzlich unabhängiges Leben. Laut Kandinsky ist die Kunst ewig frei. Ein Künstler kann nicht in Vollkommenheit verstanden werden. Aber ist das nicht belanglos? Jagen die Legionen von Dylanologen nicht ihrem ursprünglichem Gefühl hinterher, einem Bild, das sie erstmalig gesehen haben, als sie die Bedeutung seiner Songs nicht universal, sondern für sich alleine verstanden haben? Und entfernen sie sich nicht mit jedem weiteren Deutungsversuch immer mehr von diesem echten, nur für sie alleine geltenden und niemals übertragbaren Bild? So verhält es sich auch umgekehrt. Ein Künstler kann nicht wirklich wissen, weshalb sein Werk geliebt wird.

Heute ist Mike Scott fünfzig Jahre alt und seine Stimme hat noch immer die ungebrochene Intensität einer Flamme, deren Herr er ist. Scott gehört als Sänger in die Reihe derer, die mit einer suggestiven Wirkung in einer einzigen Zeile Hoffnung und Tragik eines ganzen Lebens zu fassen vermögen. Der Schüler von Blake und Yeats ist selbst ein Dichter geworden. Einer, der wie ein Chirurg seine Worte gleich einem Skalpell zielsicher zwischen den Verflechtungen der Blutgefäße in den Nervenzentren ansetzt.

Heute Morgen hat mir die Briefträgerin ein Päckchen übergeben und dabei schien es mir, als habe sie mir zugezwinkert. Es enthielt die neueste Ausgabe von The Believer, einer Zeitschrift aus San Francisco. Als es dunkel wurde, habe ich die beigelegte CD herausgenommen und bin die Abkürzung durch die zwei engen Gassen gegangen, hin zu dem Haus. Ich erklomm die geraden Treppen, meine Finger tasteten im Dunkeln nach dem Schlüssel über der Tür und die Dielen knarrten unter meinen Schritten. Das über zehn Minuten lange A Wild Holy Band hat Mike Scott eigens für diese Ausgabe aufgenommen. Ich schalte an. Die Musik beginnt. Es ist als würde ein Schiff aus dem Hafen auslaufen. Als würden die an Land Gebliebenen lautlos Abschied nehmen in der Hoffnung, es möge im Wind segeln, den Stürmen trotzen, vor Feinden nicht zurückschrecken. Den Anker gelichtet, die Segel gespannt, vom aufkommenden Wind auf die hohe See geblasen auf der ewigen Suche nach den wahren Dingen.

Ich wünschte draußen vor der Tür hätte der Winter mitten im August Einzug gehalten und still die Straßen in Weiß gepudert, als Scotts Stimme ertönt.
I walked out stunned and liberated and soon began my travels.

Der Kapitän eines Schiffes, das sich The Waterboys nennt.

© M. Moravek